Guido Niebrandt | Art Direction, Konzept & Design

Corporate Design

By GNartmin Jan 12, 2014

Corporate Design
Ursprung, Geschichte und Definition

Englischsprachiger Terminus für die einheitliche visuelle Darstellung einer Unternehmung in den Segmenten Kommunikation- und Grafikdesign, Industriedesign, Architektur und Werbung; Visuelles Erscheinungsbild eines Unternehmens. Der Begriff »Corporate Design« ist eine Wortschöpfung der Wirtschaftswissenschaften, die mit der Etablierung des »Strategischen Marketings« in der Betriebswirtschaftslehre seit den 1980er Jahren gebräuchlich ist und vereinfacht formuliert, dort ein Element der »Corporate Identity« – einer Unternehmensidentität – skizziert. Abkürzung CD; Semantisch aus dem engl. »corporate« für »vereinigt, körperschaftlich, korporativ« zu »gemeinsam, kollektiv« und »Design« für »entwerfen, (auf)zeichnen, skizzieren, gestalten, ausführen, anlegen, ausdenken, ersinnen« zu »Entwurf, Formgebung, Bauart, Konstruktion, Ausführung, Modell«. Deutschland gilt als das Ursprungsland des CD-Gedankens. Wer erstmals die Bezeichnung »Corporate Design« explizit verwendete, ist nicht dokumentiert [1].

TRADITIONELLE PHASE

In der frühindustriellen Phase waren zwei Begriffe untrennbar miteinander verbunden: Unternehmung und Unternehmer. Eine Person, meist der Firmengründer und/oder -Inhaber, beeinflußte durch ihren Charakter die Philosophie, die Ziele sowie den werblichen Auftritt (Reklame) der Firma. Die Einbindung der Mitarbeiter erfolgte durch eindeutige und zum Teil autoritäre Anweisungen (Verhaltensregeln). Mit zunehmender Betriebsgröße, durch die Erweiterung der Betätigungsfelder und durch komplizierter werdende Organisationsstrukturen verlor die Identität solcher Unternehmen im Laufe der Zeit an Konturen. Neue Mitarbeiter kannten den Werdegang der Firma nicht und empfanden eine geringere persönliche Verbundenheit. Ihre Motivation bezogen sie immer weniger aus den Zielen des Unternehmens, sondern aus persönlichen Wertvorstellungen.

Breiter werdende Produktpaletten, die sich zunehmend weniger von dem Angebot anderer Firmen unterschieden, erschweren auch die Identifikation des Verbrauchers mit dem Hersteller. Die Person des Unternehmens wurde nach innen und außen anonym (identitätslos).

MARKENTECHNIK

Als einer der Pioniere des Corporate Designs gilt der deutsche Architekt, Maler, Grafikdesigner und Typograph Peter Behrens (1868–1940), der zwischen 1907 und 1914 als künstlerischer Berater für die AEG (Allgemeine Elektrizitäts Gesellschaft) zum ersten Mal konsequent ein einheitliches »Firmengesicht« anstrebte.

»Von der Persönlichkeit« zur Marke hieß der Weg, mit dem dann Hans Domizlaff (1892–1971) in den 30er Jahren ein neues Denken in den Unternehmen verankerte. Die Identität eines Unternehmens sollte allein über die identifizierbare Marke (heute Branding) erreicht werden; dadurch werden Hersteller und Marke zu einem Synonym. Domizlaff, der als ehemaliger Künstler und Bühnenbildner sich selbst »Markentechniker« nannte, setzte erstmals seine Anschauungen bei Philip Reemtsma konsequent um. Er konzipierte die Erfolgsmarken Senoussie, Ernte 23, R6, Erste Sorte und verwies auf einen Stil, der Qualität, unaufdringliche Vornehmheit und Gleichmäßigkeit in Beschaffung, Verpackung und Aufmachung propagierte. 1933 kreierte er das Siemens-Symbol und verfaßte, ebenso wie für Reemtsma, die ersten Gestaltungsrichtlinien, in denen Typographie und Grafik bis ins Detail festgeschrieben wurden.

Nach Domizlaffs Auffassung gehörten Unternehmenspersönlichkeit und Firmenstil zusammen, und erst aus der genauen Interpretation beider konnte man einen Werbestil entwickeln. Die Stilelemente der Werbung entstanden also aus einer intensiven Analyse des Firmenstils und wurden nicht etwa dem Unternehmen als modisches Jackett übergestülpt. Domizlaff dachte von innen nach außen, schloß vom Inhalt auf eine adäquate Form. Mit seinem Buch [2] »Gewinnung des öffentlichen Vertrauens« gilt er als ein Vordenker der Corporate Identity-Idee.

DESIGN-PERIODE

Während Raymond Loewy (1893–1986) – »Häßlichkeit verkauft sich schlecht« [3] – in den USA 1944 die »Society of Industrial Designers« gründete, beschäftigte sich die deutsche Industrie nach dem 2. Weltkrieg mit dem Wiederaufbau. Es vergingen aber nur wenige Jahre, bis durch die Gründung der hochschule für gestaltung ulm (1953–1968) auch in Deutschland die Design-Periode ihren Einzug hielt. Die HFG Ulm knüpfte an die Gedanken des Bauhauses an. Insbesondere durch ihren Mitbegründer, den Bildhauer Otl Aicher (1922–1991), prägte sie Erscheinungsbilder wie das der deutschen Lufthansa, des Verlages Gruner & Jahr, der Sparkassen, der Braun AG und der Münchener Olympiade 1972.

Die Braun AG galt als einer der Pioniere der Design-Periode und blieb es auch bei der späteren Umsetzung eines ganzheitlichen Kommunikationskonzepts im Rahmen der Corporate Identity. Zuständig für das Design war W. Schmittel. Er wurde durch seine Veröffentlichungen »design-concept-realization« 1975, »process visual« 1978 und »CD international« 1984 [4] zu einem bekannten deutschen CD-Designer.

IMAGEKAMPAGNEN

Neben Markentechnik und Designkonzepten ergänzte in den 60er Jahren ein weiterer Faktor die Darstellung des Unternehmens nach außen: das Image. Die sozial- und Verhaltenwissenschaften entdeckten Zusammenhänge, die in der Werbung zu einer neuen Form der Ansprache führten. Ob der Verbraucher sich für oder gegen eine Unternehmensleistung entscheidet, hängt danach von dem Bild ab, das er mit dieser Leistung verbindet. Für das Image gilt, Dass es sich im Laufe seiner Entwicklung in den Grundzügen verfestigt, durch Informationen und Erlebnisse aber auch partiell verändert werden kann. Aufgabe von Imagekampagnen ist es, das gewünschte Marken- oder Unternehmensbild im Bewußtsein der Verbraucher zu verankern und durch die Gestaltung der Werbebotschaft erlebbar werden zu lassen.

STRATEGISCHE ORIENTIERUNG

Obwohl nun alle Anbieter in ihr neues Image investierten, blieb der erwartete Erfolg aus. Zwar wurde die Funktion des Images als Mittel zur Beseitigung von Anonymität und zur emotionalen Bedürfnisbefriedigung richtig erkannt, ein wichtiger Aspekt blieb dabei jedoch außer acht. Das Image ist die Betrachtung eines Gegenstands von außen, ein Fremdbild. Dass dieses Bild notwendig mit einem Selbstbild übereinstimmen muß, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wurde lange nicht berücksichtigt. Erst das in den 70er Jahren propagierte »strategische Denken«, welches sich vorläufig auf den Bereich der Unternehmensführung beschränkte, schien imstande, diese Lücke zu füllen. Die wachsende Bedeutung der strategischen Ausrichtung von Unternehmen bereitete die Plattform für den Gedanken der Unternehmensidentität. Für alle Entscheidungen, die das Unternehmen betreffen, schaffen Strategie und Identität einen Orientierungsrahmen, der den Beliebigkeitsspielraum situativer Einzelmaßnahmen eingrenzen soll.

DEFINITION

Corporate Design umfasst die visuelle Darstellung eines Unternehmens nach innen und nach außen und ist eine Komponente der Corporate Identity einer Unternehmung, also Bestandteil der »strategisch geplanten und operativ eingesetzten Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Images – mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen« [5].

ZIEL

Optische Positionierung und Profilierung eines Unternehmens bzw. Unternehmung.

AUFGABEN

Corporate Design erschöpft sich nicht nur in Gestaltung und Nutzung eines Firmenzeichens (Signet, Wortbildmarke), sondern schließt die einheitliche Gestaltung aller visuellen Komponenten eines Unternehmens zu einem unverwechselbaren Erscheinungsbild ein.

GRUNDELEMENTE DES VISUELLEN CORPORATE DESIGNS

1. Signet bzw. Wortbildmarke (Branding)
2. Corporate Graphic Design (Kommunikations- und Grafikdesign)
3. Corporate Typography (Typographie) [6]
4. Corporate Picture (Bild bewegt und unbewegt)
5. Corporate Color (Farben)
6. Corporate Industrial Design (Produktdesign)
7. Corporate Architecture (Außen- und Innenarchitektur)
8. Corporate Fashion (Firmen-, Dienst,- und Arbeitsbekleidung)
9. Materialien
10. Gestaltungsrichtlinien
11. Implementierung eines CDs

NUTZEN

Um sich in der Flut von Werbemaßnahmen und Information durchzusetzen, ist ein konsequentes Auftreten notwendig. Was kann ein Erscheinungsbild hierbei leisten?

1. Innere Haltungen und Wertvorstellungen (z.B. Verantwortungsbewußtsein, Umweltbewußtsein, Qualitätsanspruch) können nach außen hin erkennbar gemacht werden;
2. das visuelle Erscheinungsbild ist der Bereich, in dem ein Unternehmen oder eine Institution sich in der Öffentlichkeit am deutlichsten wahrnehmbar von anderen unterscheiden kann (Profilierung im Umfeld);
3. Durchgestaltung führt zu Verwandtschaft aller kommunikativen Maßnahmen und somit zu Kontinuität im Auftreten nach innen und außen (vertrauensfördernd, glaubwürdig);
4. die Variation konstanter Gestaltungselemente erhöht den Bekanntheitsgrad und den Wiedererkennungswert. Die Effizienz von Einzel- und Werbemaßnahmen wird erhöht. Solche Aktionen können eindeutig einem Initiator zugeordnet werden (Synergieeffekte);
5. Mitarbeiter werden motiviert. Gutes Design steigert Wohlbefinden und Sympathie (Identifikation).

KRITERIEN

Ein funktionales Erscheinungsbild soll folgende Kriterien erfüllen:

1. Aufmerksamkeitswert;
2. Prägnanz;
3. Eigenständigkeit;
4. Wiedererkennungswert;
5. Langlebigkeit;
6. Variationen und Ausbaufähigkeit;
7. Ästhetik;
8. Modernität (zeitgemäßes Empfinden);
9. Emotionale Steuerung.

PROBLEME

Es ergeben sich zwei ganz besondere Problembereiche. Erstens. Die Modernität. Einerseits ein hohes Maß an Kontinuität wahren, um das gewollte Bild fest im Bewußtsein der Zielgruppe zu verankern (z.B. bei bestimmten graphischen Konstanten), andererseits flexibel genug sein, um dem sich verändernden Zeitgeschmack Rechnung tragen zu können. Zweitens. Die Eigenständigkeit. diese Anforderung wird häufig nicht erfüllt. Erscheinungsbilder im Stil der HFG Ulm sind heute bereits zum Standard geworden. Sie heben sich oftmals nicht mehr genügend voneinander ab, da sie emotionale Komponenten ausschließen (Metzgerei = Verkehrsbetriebe). Durch Variation mehrerer Komponenten (z.B. Typographie, Raster, Farbe, Material, Anmutung) wird der Verwechselbarkeit entgegengewirkt.

VORGEHENSWEISE

Bevor Gestaltungsmerkmale erarbeitet und festgelegt werden, ist das vorhandene Erscheinungsbild unter dem Aspekt der neu gewonnenen Informationen zu überprüfen (Analyse des Images, neu definierte Grundsätze). Im nächsten Schritt ist zu überlegen, welche Erneuerungen im Erscheinungsbild die gewünschte optische und qualitative Wirkung erzielen. Eine wesentliche Erleichterung dieser Arbeit stellt die Reduzierung der Unternehmensphilosophie auf eine Kernaussage dar. Dieser Vorgang des Auf-den-Punkt-bringens entspricht einer alten Kommunikationsstrategie: der Empfänger einer Botschaft kann eine knappe, zentrale Aussage erkennen, lernen, behalten und sich mit ihr eventuell identifizieren. Dagegen hinterlässt eine Mischung gleichgewichtiger Informationen eher ein diffuses Bild. Diese Erfahrung war wohl auch die »Mutter« des Slogans, also der Kernaussagen, die Firmen häufig in Verbindung mit ihrem Signet verwenden.

Dass diese Prozesse nacheinander geschildert werden, soll keineswegs ein Hinweis auf die Handhabung in der Praxis sein. Tatsächlich werden insbesondere Korrekturen an Erscheinungsbild und Kommunikation parallel durchgeführt, nachdem ein Konsens über deren Richtung und Inhalt in Form der Philosophie gefunden wurde.

[1] Die Wortschöpfung »Corporate Design« wird u.a. Eliot Noyes (1910–1977) zugeschrieben. Noyes war ein Architekt und Industriedesign(berater) aus New Canaan (USA, Connecticut), der u.a. 21 Jahre lang als Design Director die »International Business Machines Corporation« (IBM) beriet. Noyes war stark vom Bauhausgedanken beinflusst. 1938 arbeitete er im Architekturbüro von Walter Gropius (1883–1969) und Marcel Breuer (1902–1981) in Cambridge. Die Behauptung, das auf Noyes die Wortschöpfung »Corporate Design« zurückgeht, stammt von Steven Heller, einem Artdirector und Autor aus New York. Quelle: Steven Heller: Paul Rand, Verlag Hermann Schmidt Mainz, Seite 149. ISBN 3-87439-476-X.
[2] Hans Domizlaff: Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik, 7. Auflage, Hamburg, August 2005. 352 Seiten. ISBN 3-922938-40-X.
[3] Raymond Loewy: Hässlichkeit verkauft sich schlecht, ECON Verlag, Düsseldorf.
[4] W. Schmittel, Corporate Design International, 1984.
[5] K. Birkigt, M.M. Stadler und H.J. Funck, Corporate Identity, Verlag Moderne Industrie, Landsberg.
[6] Der Terminus »Corporate Typography« ist als neu interpretiertes Determinativ-Kompositum eine Zusammensetzung aus »corporate« für »vereinigt, körperschaftlich, korporativ« zu »gemeinsam, kollektiv« und dem engl. »Typography«, dt. »Typographie«, aus »Typo-« vom altgriechischen »typos« her, das eigentlich »Schlag, Stoß«, später auch »Eindruck, Muster, Bild« bedeutet, analog zu »typtein« für »schlagen, hauen«, als Ursprung für das lateinische »typus«, das dann »Figur, Bild, Muster« meint; das Wort »-graphie« entspricht dem altgriechischen »-graphia« für das »Schreiben, Darstellen, Beschreiben« zu altgriechisch »graphein« für »ritzen, schreiben«. Diese 2007 interpretrierte Wortschöpfung von Wolfgang Beinert bezeichnet also in ihrer konkreten Bedeutung die Typographie als einen grafischen Teilbereich des CDs.
[L] Peter Sumerauer: Hans Domizlaff und der Ursprung der Markentechnik. In »Jahrbuch Markentechnik 1995«. Deutscher Fachverlag, Frankfurt 1995, S. 77-93, ISBN 3-87150-458-0
[L] Peter Sumerauer: Bibliographie Hans Domizlaff - eine Bibliographie der Markentechnik. Materialien des Hans-Domizlaff-Archiv, Frankfurt am Main, 1995.
[L] Tilmann Buddensieg: Peter Behrens und die AEG. Neue Dokumente zur Baugeschichte der Fabriken am Humboldthain. Sonderdruck aus Schloß Charlottenburg. Festschrift für Margarete Kühn 1975.
[L] Tilmann Buddensieg: Industriekultur. Peter Behrens und die AEG. Berlin 1979.
[L] Adrian Frutiger: Der Mensch und seine Zeichen, 1978, Vourier Verlag ISBN 3-925037-39-X.
[L] G. Achterhold, Corporate Identity, 1988.
[L] D. Rost: Firmenstil und Industriekultur. Die Entwicklung der Corporate-IdentityIdee in Deutschland, 1991.
[L] Wolfgang Beinert: Nutzen, Umfang und Applikationen eines Corporate Designs, Eine Checkliste für Designer und ihre Auftraggeber. http://www.beinert.net/faq/corporate-design.html.

Aufsatz zuletzt bearbeitet am 13.08.2013
von Wolfgang Beinert

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